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Radio C - Kultur und Wissenschaft in Bonn
Radio
C
Dezember 2003
Fr. 19.12.2003 21.00 Radio Bonn/SU
Moderation/Technik: Florian Höfer
Redaktion/Studiogast: Jürgen Lütz
Radio C, Kultur und Wissenschaft in Bonn, eine Produktionsgruppe der Radio-Werkstatt-Lora
in Bonn-Beuel, stellt Ihnen die interessantesten neuen Kino Filme vor,
die in den nächsten Wochen in den Bonner Kinos laufen.
1. Musik "Beyond Redemption" HIM Album: Love Metal
Nachrichten aus den Kinosälen:
Noch hoch in der Gunst der Bonner Kinobesucher
Fast 3 Monate auf den Bonner Leinwänden:
Herr Lehmann
von Leander Hausmann nach dem Roman des Element of Crime-Sängers
Sven Regener.
Nach SONNENALLEE der neue Film von Leander Haußmann.
West-Berlin 1989 kurz vor dem Mauerfall. Kreuzberg SO 36, Zufluchtsort
für Wehrdienstverweigerer, Lebenskünstler und Philosophen. Hier
ist Frank, den alle nur Herr Lehmann nennen, weil er schon auf die dreißig
zu geht, der König in seinem kleinen Universum. Wenn Herr Lehmann
nicht hinter der Theke steht, um die Menschheit mit Nachschub zu versorgen,
steht er mit seinen Freunden vor der Theke und findet das eigentlich alles
ganz in Ordnung.
Bis er Kathrin kennen lernt, seine Eltern ihren Besuch in Berlin ankündigen
und sein Freund Karl, Super Karl (großartig Detlef Buck) nicht mehr
schläft.
Seit 6 Wochen auf den Bonner Leinwänden und der Hörer-Komödien
Tipp für den Jahreswechsel:
L'auberge espagnol von Cederic Klapisch
Ein Film wie Ferien: Regisseur Cedric Klapisch (Und jeder sucht sein Kätzchen)
schickt einen Pariser Wirtschaftsstudenten für ein Erasmus-Jahr in
eine gesamteuropäische und multilinguale Wohngemeinschaft nach Barcelona.
Eigentlich will Xavier nur sein Spanisch aufbessern, um dann den von seinem
Vater organisierten Bürojob antreten zu können. Dann aber zieht
ihn eine fröhlichturbulente Wohngemeinschaft, in der Engländer,
Deutsche, Dänen, Italiener und Spanier zusammen wohnen, feiern und
lieben in ihren Bann.
Welch eine Wohltat, dass dieses kunterbunte Sprachengemisch nicht vollständig
synchronisiert worden ist. Lediglich das Französisch der Hauptfigur
ist verdeutscht. Und so wird man zeuge wie die WG mit den kuriosesten
Akzenten Englisch Radebrecht wie im richtigen Leben.
Mit Romain Duris (Gadjo Dillo); Audrey Tautou (Amelie ...), Barnaby Metschurat
(Solino) und vielen anderen.
Neu in den Kinos:
"In America" von Jim Sheridan ab 11.12. im Kino
Mit viel Gefühl und Poesie erzählt Jim Sheridan (Mein linker
Fuß, Im Namen des Vaters) von einer irischen Familie, die in den
80er Jahren nach Amerika kommt, um ihre in der Vergangenheit liegenden
Probleme zu bewältigen. Aus Sicht der beiden halbwüchsigen Mädchen
wird diese halbautobiographische Geschichte mit viel Humor erzählt
und mit einer darstellerischen Leistung gespielt, der man sich kaum entziehen
kann.
Wie es sich für Einwanderer gehört beginnt das Leben in der
neuen Welt in einem der heruntergekommensten Stadtteile New Yorks der
auch einem Schauerroman herrliche Kulissen bieten würde.
Aber der Blickwinkel der Kinder führt den Zuschauer mit einer ordentlichen
Portion Neugier und Humor durch den Film. Natürlich spuken in diesen
Kinderköpfen die Ängste der Erwachsenen in Form von Geschichten
und Märchen herum und sorgen dafür, dass den Kindern das neue
Heim wie ein dunkler Zauberwald mit merkwürdigen Bewohnern vorkommt.
Doch mit ihrer grenzenlosen Neugier und Cleverness, machen sich das neue
Terrain untertan und finden neue Freunde, die Hilfe und Halt geben
können. "In America" von Jim Sheridan ist ein schöner
Familienfilm ideal für weihnachtliche Stimmungen.
2. Musik: "Nos siguen pegando abajo" (pecado mortal) von Charly
Garcia
"Balzac und die kleine chinesische Schneiderin"
von Dai Sijie ab 25.12. im Kino
"Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" spielt vor einer
phantastischen chinesischen Landschaftskulisse und ist eine poetische
und bewegende Dreiecksgeschichte, die ihren großen Nachhall aus
der Frage zieht, welche Rolle Literatur für unser Leben spielt.
Durch das Nacherzählen von Filmen und Romanen gewinnen zwei junge
Männer das Herz einer jungen Frau ohne zu ahnen, welche Veränderungen
sie damit herbeiführen.
China 1971, Maos Kulturrevolution hat schon einiges an Schärfe verloren.
Die Universitäten sind noch geschlossen. Nach Abschluss der Oberschule
werden der 17jährige Ma und der 18jährige Luo wie viele andere
junge Städter zur Umerziehung durch die revolutionären Bauern
aufs Land geschickt. Nach einiger Zeit harter Feldarbeit gibt ihnen der
Dorfvorsteher den Auftrag, sich in der Kreisstadt einen Film anzusehen
um ihn anschließend den Dorfbewohnern zu erzählen. Die erzählte
Filmvorführung wird ein voller Erfolg, auch im Nachbarort hört
man davon. Dort verlieben sich die beiden in die Enkelin des alten Schneiders,
die immer neue Geschichten von ihnen hören will. Woher aber immer
neue Geschichten nehmen, wenn alle literarischen Bücher verboten
sind?
Autor Dai Sijie hat seinen eigenen international erfolgreichen Roman selbst
verfilmt.
"Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" ist eine poetische
und bewegende Dreiecksgeschichte, die ihren großen Nachhall aus
der Frage zieht, welche Rolle Literatur für unser Leben spielt.
Gleichzeitig aber ist Dai Sijies Film die kongeniale Umsetzung und Erweiterung
seines eigenen satirischen und autobiographischen Schelmenromans.
Mit allerlei Tricks und einem Bücherkoffer voller fremder Welten,
haben es sich die beiden jungen Männer Luo und Ma in ihrer Verbannung
von unbestimmter Dauer so behaglich wie möglich eingerichtet.
Es wird die prägendste Zeit in ihrem Leben. Denn gerade weil sie
gegen das Verbot westlicher Kultur des Großen Vorsitzenden Mao verstoßen,
finden sie in der Kleinen Schneiderin die Liebe ihres Lebens, und verlieren
sie auch sogleich wieder, weil sie durch ihren eigenen Kultureinfluss
zur Emanzipation der jungen Frau beitragen.
Durch die Lektüre von Balzacs Romanen entdeckt die ‚namenlose' Kleine
Schneiderin ihr Selbstwertgefühl als Frau: dass die Schönheit
einer Frau ein unbezahlbarer Schatz ist. Sie beschließt, ihr Dorf
zu verlassen und in die Stadt zu gehen, in der Hoffnung, dass ihr dort
als Frau eine Wertschätzung zu Teil wird, wie sie sie in den Romanen
Balzacs aufscheinen sieht.
Für die Verfilmung seines eigenen Romans hat Dai Sijie vor allem
den Schluss seines Romans erweitert und in die Gegenwart verlängert,
was auch seinen zahlreichen Lesern neue Denkanstöße bietet.
Indem er Ma aus dem französischen Exil auf der Suche nach der Kleinen
Schneiderin nach China an den Phönix-des-Himmels zurückkehren
lässt, bereichert er seinen Film gegenüber dem Roman um melodramatische
Aspekte.
Durch die Bezugnahme auf das chinesische Drei-Schluchten-Staudamm-Projekt
beschwört Dai Sijie mit der Überflutung (dem Untergang) seiner
eigenen Erinnerungslandschaft die Unaufhaltbarkeit menschlicher Kultur,
deren Wesen gerade in ihrem Wandel besteht.
Die Geschichte vom weinenden Kamel
von Byambasuren Davaa und Luigi Falorni ab 08.01. in den Kinos
Der Dokumentarfilm "Die Geschichte vom weinenden Kamel" zeigt
ein Hirten Ritual, das mongolische Hirtennomaden immer dann anwandten,
wenn eine Kamelmutter ihr Neugeborenes nicht annehmen wollte und
verstieß. Weil das den sicheren Tod des Kameljungen bedeutet hätte,
spielen Kamelhirten in der Mongolei dem Muttertier Musik vor, in der Hoffnung,
das diese das Herz des Muttertiers erweichen wird und dafür sorgt,
dass das Fohlen doch noch angenommen wird.
Sieben Wochen lang lebten die Filmemacher mit ihrem Team mit in der Wüste,
beobachteten den Alltag der mongolischen Familie Amgaa, und hatten schließlich
auch das Glück, nicht nur Kamelgeburten mit der Kamera zu dokumentieren,
sondern auch das mystisch-magische Phänomen der durch einen Musiker
aus der Stadt bewirkten "Wiedervereinigung" von Mutter und Kind
mitzuerleben.
"Die Geschichte vom weinenden Kamel" transportiert viel vom
Leben mongolischer Nomaden auf die Leinwand. Zum Beispiel, wenn ein Sandsturm
über die Ebene fegt und Geräusche wie von einer Brandung erzeugt.
Man erlebt alltägliches wie das auf eine Schöpfkelle reduzierte
Duschbad des kleinen Ugna mit, versteht bei seiner Suche nach einem Musiker
in der Stadt seinen Wunsch nach kindgerechter Zerstreuung. Abends sitzt
man mit der 4 Generationen Familie in der Jurte am Ofen, wenn der Urgroßvater
Geschichten erzählt.
Eine kleine Kostprobe der Urgroßvater Geschichten aus der mongolischen
Jurte:
"Früher, so beginnt der Urgroßvater des kleinen Ugna,
da habe das Kamel
ein Geweih getragen. Doch dann borgte es sich der Hirsch für ein
Fest,
kehrte jedoch nicht mehr damit zurück. Weshalb die Kamele noch heute
über die weite Steppenlandschaft immer gen Westen blickten und auf
die
Rückkehr des Geweihs warteten."
3. Musik "Japanese to English" Red House Painters
Soundtrack: Amateur by Hal Hartley
Lost in Translation von Sofia Coppola ab 08.01. in den Kinos
Wie schon in ihrem Debütfilm "The Virgin Suicides" gelingt
Sofia Coppola mit "Lost in Translation" ein atmosphärisches
Meisterwerk zwischen Drama und Komödie.
Die junge, frisch verheiratete Charlotte (Scarlett Johansson) und der
ältere, von seiner Ehe zermürbte Bob (Bill Murray) freunden
sich in einem japanischen Hotel an und müssen amüsiert und resigniert
feststellen, dass sie trotz eines großen Altersunterschieds noch
die gleichen Fragen an das Leben haben.
Schauplatz des Films ist Tokio, eine für beide Hauptfiguren völlig
fremde Stadt in der sie auf die Hilfe von Übersetzern angewiesen
sind. Während Bob, ein in Amerika bekannter Schauspieler, Werbeaufnahmen
für einen Whisky macht, begleitet Charlotte ihren Mann, einen Fotografen
(Giovanni Ribisi), der sie meist allein im Hotel zurück lässt.
Die Fremdheit der Umgebung, die häufige Einsamkeit bringt beide Figuren
dazu, sich mit ihrem Leben auseinander zu setzen. Immer wieder laufen
die Beiden sich in der Hotelbar, im Aufzug
oder im Fitnessraum über den Weg, bis sie behutsam Kontakt aufnehmen,
gemeinsam durch Tokio ziehen, das völlig fremdartige Leben der Japaner
kennen lernen und sich wechselseitig Stütze sind.
"Lost in Translation" ist eine warmherzige, minimalistische
Komödie über eine unterkühlte Welt, die von Übersetzungs-
und Verständnisproblemen bestimmt wird und die schönste und
ungewöhnlichste die Oberfläche des Alltäglichen durchbrechende
Liebesgeschichte seit langem.
Die Träumer von Bernardo Bertolucci ab 22.01. in den Kinos
Man schreibt das Jahr 1968. Vor der Pariser Cinemathèque wird heftig gegen
die politisch motivierte Entlassung des Leiters protestiert. Unter den
Demonstranten der junge Amerikaner Matthew, die hübsche Isabelle
und ihr Bruder Theo. Das Trio versteht sich sofort prächtig. Spontan
laden die Geschwister den Studenten in die großbürgerliche
Wohnung ein. Die Eltern wollen verreisen. Beste Voraussetzungen also für
allerlei ungestörte Begegnungen der sinnlichen Art. Zunächst
amüsieren sich die drei Träumer mit dem Erraten und Nachspielen
von Filmzitaten, diskutieren eifrig über die kulturelle Fragen nach
dem besten Kino-Komiker und Gitarristen oder genießen den elterlichen
Weinkeller, dann aber werden die spielerischen Herausforderungen erotischer.
Auf den naiven Matthew wirken die Spielchen über Lust und Liebe zunächst
verstörend, werden aber zunehmend faszinierend, weil er sich in die
hübsche Isabelle verliebt. Nach und nach aber entdeckt er, das die
beiden Geschwister trotz all der Freiheiten, die sie sich heraus nehmen
noch in einem kindlichen Schutzraum leben, dessen Verlassen um so schmerzhaft
werden muss weil die Zeit dafür schon längst abgelaufen ist.
Bertolucci hat mit "Die Träumer" ein sehr sinnliches psychologisches
Kammerspiel erschaffen. Das seinen großen Filmen wie "Der letzte
Tango in Paris", "1900" oder "Der Letzte Kaiser"
an Intensität an nichts nachsteht und gleichzeitig gelingt ihm ein
beeindruckendes Psychogramm einer Generation.
4. Musik "Le poinconneur des lilas" Serge Gainsbourg
Album: Master Serie Vol. 2
In ihrem Radio hören Sie uns wieder in genau einem Monat
am Freitag, 16. Januar, zur gleichen Zeit.
5. Musik "Mother Sky" Can Album: Cannibalism 1
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