Radio C - Kultur und Wissenschaft in Bonn

Radio C
April 2002
Di., 9.04., 20.00 Uhr Radio Bonn/SU


Moderation: Peter Goßens
Technik: Florian Höfer
Studiogast: Jürgen Lütz

Radio C, eine Produktionsgruppe der Radio-Werkstatt Lora in Bonn-Beuel.
Produziert im Studio des Instituts für Kommunikationsforschung und Phonetik in Bonn Poppelsdorf.

Jingle: "Homenagem a Mongo" Som Tres

1. Musik "Chunari Chunari" Anu Malik
aus Soundtrack: "Monsoon Wedding" von Michael Dana
2. Musik "Walking Barefoot" Ash Album: Free all Angels


Noch hoch in der Gunst der Kinobesucher:

"Italienisch für Anfänger"

"Italienisch für Anfänger" ist ein Film über die, nennen wir es "Italienischen Momente" des Lebens, das ist natürlich eine Metapher, und am ehesten gemeint sind Momente von auffälliger Leichtigkeit, in denen man die Last des Alltags für kurze Zeit vergessen kann. "Italienisch für Anfänger" das sind 118 Minuten "Italienische Momente", obwohl man sie hier im Traum nicht erwarten würde. "Italienisch für Anfänger" spielt in einem tristen Vorort von Kopenhagen, es ist Winter und alle Figuren des Films haben wirklich nichts zu lachen. Der junge Pastor Andreas, die Friseuse Karen, die Verkäuferin Olympia, der Hotel-Portier Jorgen und der Restaurant Manager Hal-Finn, alle einsame Großstadt Singles, werden von ihrem Alltag und von verschiedenen Schicksalsschlägen gebeutelt. Nur in einem Italienischkurs der Volkshochschule finden sie etwas Geborgenheit und mediterrane Wärme. Am Ende des Films wird sich diese Wärme in ihrem Alltag verbreiten und ihn heller machen. Aber wie es dazu kommt, ist eigentlich ein Wunder, das den Kinozuschauer in größeres Erstaunen versetzt und besser unterhält, als alle "Harry Potter" und "Herr der Ringe" Spezialeffekte und Traumgestalten zusammen. Die "Italienisch für Anfänger" zur Komödie des Jahres machende Sensation, für die Zuschauer und die Figuren des dänischen Alltagsdramas ist die, das die Protagonisten durch ihre Verknöcherungen hindurch wieder anfangen miteinander zu Reden. "Italienisch für Anfänger" zeigt einen gesellschaftlichen Tauprozess, bei dem das Vokabeltraining in einem höchst improvisierten Italienischkurs für die notwendige Erwärmung sorgt. Das gibt im wahrsten Sinne Hoffnung für ein Neues Jahr.


"Heaven" der neue Film von Tom Tykwer ist eine intensive, dramatisch und geheimisvolle Liebesgeschichte und ein Metaphysischer Thriller.
Es muss direkt gesagt werden, "Heaven" ist Tom Tykwers schwierigster Film, mit dem er sich auch sehr schwer getan hat, aber es ist vielleicht auch sein größter künstlerischer Triumph. Er hat die fast unlösbare Aufgabe gemeistert ein Drehbuch des großen polnischen Moralisten und Kulturpessimisten Kristof Kieslowski (Drei Farben: "Weiß" "Rot" "Blau", "Ein Kurzer Versuch über die Liebe" etc.) zu verfilmen.
"Heaven" thematisiert den Konflikt eines Einzelnen mit einer tauben Gesellschaft, der in letzter Konsequenz und Verzweiflung zur Gewalt greift, um einen schädlichen Menschen zu eliminieren und auch bereit ist, für die Folgen einzustehen.
Aber man erzählt den Film am besten vom Ende her. Das Ende von "Heaven" ist Kieslowkis Aufgabe, die nach dem Regisseur Tom Tykwer nun auch die Zuschauer zu meistern haben. Nach einer aufregenden und sehr spannenden Schuld und Sühne Geschichte fliehen Held Fillipo (Giovanni Ribisi) und Heldin (Phillipa) (Cate Blanchet) aus der unheilen Welt in ein Paradies in dem der Sommer auch schon vorbei ist. Immer mehr nehmen die Weltflüchtlinge die Konturen der biblischen Adam und Eva an und fahren am Ende ihrer Flucht mit einem Hubschrauber senkrecht in den Himmel auf, bis sie ganz verschwunden sind.
"Heaven" erzählt die Schöpfungsgeschichte rückwärts.
Und mit diesem für Kieslowski typischen Gedankenspiel, dass die Probleme der Menschheit nur mit einer Zurücknahme der Schöpfung zu lösen sind, endet der wohl eindrücklichste Film dieses Kino Monats.



"Schiffsmeldungen" von Lasse Hallström

"Schiffsmeldungen" ist der neue Film von Lasse Hallström ("Chocolat", "Gottes Werk und Teufels Beitrag"), eine Literaturverfilmung nach dem gleichnamigen Roman von Annie Proulx.

Der Film erzählt die Geschichte eines kleinen Angestellten, der einen Neuanfang im unwirtlichen Neufundland nutzt, um zusammen mit seiner Tochter aus seinem normalen Leben auszubrechen; um eine zweite Chance zu erhalten ein Leben zu führen, in dem er auch mal die Initiative ergreifen kann und nicht nur der Spielball ist.
Geführt von seiner Tante, macht sich Quoyle in seiner neuen Umgebung auf die Suche nach sich selbst und den Wurzeln seiner Familie. Mit großem Star-Aufgebot, Kevin Spacy, Julianne Moore, Judi Denche und Cate Blanchet inszeniert, spielt Schiffsmeldungen vor einer beeindruckenden neufundländischen Originalkulisse und entfaltet einen eigentümlichen Charme.


3. Musik: "1979" The Smashing Pumkins
Album: Mellon Collie and the Infinite Sadness


"Nomaden der Lüfte - Das Geheimnis der Zugvögel"
von Jacques Perrin

"Nomaden der Lüfte - Das Geheimnis der Zugvögel" ist der neuen Film des genialen Tierfilmers Jacques Perrin, der vor drei Jahren mit seiner hochästhetischen Insektendokumentation "Mikrokosmos" für Furore in den Kinos gesorgt hat. Schon "Mikrokosmos" hat deutlich gemacht, das Tierfilme nicht nur ins Fernsehen gehören, sondern auf die große Kinoleinwand mit bestem Ton, damit sich der Zuschauer ganz in die erstaunlichen Welten der Tiere versenken kann.
"Nomaden der Lüfte" übertrifft "Mikrokosmos" bei weitem. Und tut einen großen Schritt vom Mikro- in den Makrokosmos. Sah man in Mikrokosmos die Erde kaum, weil die Dimensionen der Erdoberfläche weit außerhalb des beobachteten Maßstabs lagen, so ist in "Nomaden der Lüfte" genau das Gegenteil der Fall. "Nomaden der Lüfte" vermittelt den Blick der Zugvögel auf die Erdoberfläche und zeigt Ansichten unsers Planeten, wie man sie so noch nicht gesehen hat.
So verbindet "Nomaden der Lüfte" einzigartige Aufnahmen vom Flug und Leben unterschiedlichster Zugvögelarten mit atemberaubenden Bildern der Erdkruste zu einem großen einzigartigen Weltgedicht.


"Jalla! Jalla!" von Josef Fares

Sicherlich sind unseren Hörern die Filme von Lukas Moodysson "Raus aus Amal" und "Zusammen" noch gut im Gedächtnis. Jetzt kommt ein neuer schwedischer Film in die Bonner Kinos, den Lukas Moodysson lediglich produziert hat, aber selbst das bürgt für Qualität.
"Jalla! Jalla!" (arabisch für schnell, schnell) heißt der Debüt-Film des aus dem Libanon stammenden Schweden Josef Fares und ist so etwas wie Schwedens Antwort auf "East is East". Roro, wie der Regisseur aus libanesischer Familie stammend, hat schon lange eine schwedische Freundin, die möchte, dass er sie endlich seinen Eltern vorstellt. Fatalerweise hat Roros Vater seinen Sohn gerade erst einer anderen libanesischen Familie versprochen. Als die Auserwählte Roro bittet, um Zeit zu gewinnen auf das Spiel einzugehen, beginnt für Roro ein für den Kinozuschauer hoch unterhaltsames Doppelspiel mit vielen überraschenden Wendungen. Roros bester Freund, der blonde Hühne Mans, ist für diese Hacken und Ösen nicht ganz unverantwortlich: Er bringt eigene Problem mit ins Spiel bringt.
Für seinen erfrischenden Debütfilm hat Josef Fares seine ganze Familie rekrutiert. Wenn man weiß, dass der Hauptdarsteller Fares Bruder ist und der großartige Darsteller der Vaterfigur der tatsächliche Vater der beiden, gewinnt der Film noch mehr Symphatie.

4. Musik "Creep" Radiohead Album: Pablo Honey
oder Soundtrack "Cyclo" von Tôn-Thât Tiêt

"Beijing Bicycle" von Wang Xiaoshuai

Wang Xiaoshuai ist seit Anfang der 90er für europäische Filmkritiker ein Stern des chinesischen Kinos. In China selbst schätzt man ihn nicht, weil seine Filme liebevoll und schonungslos zugleich den sozialen Status Quo in den aufstrebenden chinesischen Metropolen porträtieren.
Der chinesischen Zensur ist die westliche Modernität, die Wang Xiaoshuai in Städten wie Peking oder Shanghai aufspürt, zu viel und leider erkennen die Chinesen nicht, dass Wang Xiaoshuai gerade die moralischen Konflikte thematisiert, die entstehen, wenn sich junge Menschen aus den China dominierenden ländlichen Regionen in den Städten orientieren müssen.
"Beijing Bicycle" - "Fahrrad Peking" - ist der erste Film von Wang Xiaoshuai, den nun eine größere Öffentlichkeit in Deutschland wahrnehmen kann.
"Fahrrad Peking" erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, Guei, der vom Land mit großen Erwartungen in die Stadt kommt und sich glücklich schätzen kann, das er als Fahrradkurier eine Arbeit findet. Als Guei das Fahrrad, das ihm sein Arbeitgeber gestellt hatte, gestohlen wird, beginnt Guei es in ganz Peking zu suchen. Erst diese Suche öffnet Guei die Augen für das tatsächliche Leben der Menschen in Peking, für die ein Fahrrad eines der wichtigsten Statussymbole und hin und wieder einige wenige Momente der Leichtigkeit bedeutet. Ähnlich wie sein großes Vorbild "Fahraddiebe" des italienischen Neorealisten Vittorio de Sica ist "Beijing Bicycle" heute schon ein Meilenstein chinesischer Kulturgeschichte.


"Monsoon Wedding" von Mira Nair

"Monsoon Wedding" ist der neue Film von Mira Nair (Salam Bombay, Kamasutra). Er erzählt die farbenprächtige Geschichte einer indischen Mittelstandsfamilie kurz vor dem Nervenzusammenbruch.
Lalit und Pimmi Verma bereiten die Hochzeit ihrer Tochter Ria vor.
Als die Familie aus allen Teilen der Welt nach und nach eintrifft, entwickeln sich vielzählige kleine komische und tragische Geschichten, die ein komplexes Bild der indischen Gesellschaft zeichnen. Bei den mehrtägigen Feierlichkeiten treffen nicht nur die verschiedensten Menschen, Generationen, Klassen und ihre Schicksale aufeinander, sondern auch die zwei Welten Indiens - die traditionelle und die moderne westliche Kultur, von der die eine dem Film die Stimme und die andere den Rhythmus verleiht. Auch als die Hochzeit zunehmend im Chaos und in den Wassermassen des beginnenden Monsun-Regens zu versinken droht, machen doch Rhythmus, Musik und Opulenz der Bilder deutlich, dass dieser Feier nichts etwas anhaben kann.
"Monsoon Wedding" ist der deutlichste Frühlingsbote, der in diesem Monat in die Kinos kommt.


5. Musik "Aaja Nachle" von Bally Sagoo + D. Khanne Wola
aus Soundtrack: "Monsoon Weddin" von Michael Dana

In Ihrem Radio hören Sie uns wieder am Di., 14. Mai, zur gleichen Zeit.

6. Musik "Les Mediantes" von Nguyen Van Ngoc und Tran Van Hai


radio-c.de