Radio C - Kultur und Wissenschaft in Bonn

Februar
13.02.2001, 20.00 Uhr
Radio Bonn/Rhein-Sieg  

 

1. Musik "Sentimento" Picola Ochestra Avion Travel

2. Musik "Johnny Wasmerly" Zen Zilla

"Die innere Sicherheit" von Christian Petzold mit Julia Hummer, Barbara Auer und Richy Müller.

"Die innere Sicherheit" ist für den deutschen Film dieses Jahr das, was letztes Jahr die "Unberührbare" mit Hannelore Elsner gewesen ist, für mich schlicht der wichtigste deutsche Film.

"Die innere Sicherheit" erzählt die Geschichte einer Familie, die wegen einiger vom Film nicht genauer beschriebener terroristischer Straftaten in der BRD gesucht wird und seit 15 Jahren im Untergrund lebt.

Sie tarnen sich als deutsche Langzeiturlauber zwischen den anonymen Touristen an den Atlantikstränden Portugals. Vor 15 Jahren haben sie ein Tabu gebrochen: Sie haben eine Tochter gezeugt. Ein Mädchen, Jeanne, (Julia Hummer), das nie eine Schule besuchen konnte, das nie normale Freundschaftsbeziehungen zu gleichaltrigen haben konnte. Ein Mädchen, das allein ist. Die Eltern sind kurz davor, sich eine halbwegs legale Identität irgendwo in Brasilien zusammen zu basteln, als durch eine Unachtsamkeit all das zusammenbricht. Wieder einmal müssen sie fliehen und ihre Flucht führt sie zurück nach Deutschland. Währenddessen hat Tochter, Jeanne, begonnen, sich zu verlieben und ist damit an einem Punkt angekommen, wo sie sich für oder gegen ihre Eltern entscheiden muss.

Christian Petzold hat über das Ausgangsmotiv seines Films "Die innere Sicherheit" gesagt: "Ich las, dass der später in Bad Kleinen erschossene Wolgang Grams Marmelade eingekocht hat, irgendwo in der Anonymität des Untergrunds. Dass er Lieder geschrieben hat, für eine Frau. Das sind Nachrichten aus dem Untergrund, die davon erzählen, dass da irgendwelche Gespenster an ihrer Menschwerdung arbeiten."

Der Film macht da weiter, wo Volker Schlöndorff mit seiner "Stille nach dem Schuss" aufgehört hat.

Es geht um die Grauzone zwischen Ausstieg aus einer wie auch immer motivierten Kriminalität und der Suche nach einer Normalität, in der die Betroffenen auch nicht viel anders leben, als Menschen, die keine terroristische Vergangenheit haben.

Das Aufregende an Petzolds "Die innere Sicherheit" ist gerade die Spannung zwischen der Normalität des Familienlebens innerhalb der Familienzelle und die Ungewöhnlichkeit der äußeren Umstände, in denen diese Familie lebt.

 3. Musik "Almost Happy" K’s choice

 Die Mitte des Kinomonats Februar wird von zwei sehr unterschiedlichen amerikanischen Filmen dominiert, die sich beide mit der Frage beschäftigen was Frauen eigentlich wollen.

Im ersten Film mit dem tatsächlichen Titel "Was Frauen wollen" beschäftigt sich Mel Gibson in der Rolle eines Werbemanagers für Kosmetikprodukte zu erst beruflich mit dieser Frage. Um dann nach einem kleinen Unfall wie durch ein Wunder diese Frage immer wieder beantwortet zu bekommen. Nach einem gehörigen Stromschlag kann Nick Marshall auf einmal hören, was Frauen denken. Das was der gute Mel da vernimmt liegt dem chauvinistischen Denkmustern Hollywoods nach meistens unter der Gürtellinie. Und der Witz dieses gut kalkulierten Hollywoodwerks besteht darin, das er Angesicht zu Angesicht mit der Frau, die er gerade belauscht hat, versucht seine Überraschung zu verbergen. Natürlich sind ihm die neuen Fähigkeiten beruflich sehr von nutzen, wenn es aber darum geht eine ehrliche Beziehung zu seiner Kollegin (Helen Hunt) aufzubauen wird das ganze schon schwieriger.

In jeder Hinsicht ehrlicher geht es im Film "Girls Fight - Auf eigene Faust" zu. Karyn Kusama schrieb und inszenierte eine wilde und gleichzeitig berührende Geschichte einer jungen, kämpferischen Frau, die Selbstvertrauen und Liebe ausgerechnet in einem Boxring findet. Prämiert wurde ihr aufregendes Kinodebüt in diesem Jahr unter anderem mit dem Regie-Preis und dem Großen Preis der Jury in Sundance, mit dem Preis des jungen Kinos in Cannes. Eine Entdeckung des Films ist auch die Schauspielerin Michelle Rodriguez. Diana (Michelle Rodriguez) ist anders als ihre Mitschüler: Das Mädchen ist taff und trotzig und schlägt zu, wenn ihr danach ist - und das ist häufig der Fall. Sie lebt in einem heruntergekommenen Häuserblock in Brooklyn mit ihrem Bruder Tiny und ihrem Vater Sandro und würde am liebsten alles hinter sich lassen. Kampfgeist besitzt sie im Überfluss, Disziplin und Technik aber muss sie erst lernen. Bei einem Botengang landet sie im Box-Club ihres Bruders und wittert ihre Chance aus ihrem bisherigen Leben herauszukommen. Beim Training und beim Kampf um Anerkennung, als den Männern gleichberechtigte Boxerin ihres Clubs, lernt sie zum ersten mal in ihrem Leben, was es bedeutet, an sich selbst zu arbeiten und eine Entwicklung in die eigenen Hände zu nehmen. "Girls Fight" ist kein Box-Film im Sinne der Rocky Filme. In "Girls Fight" wird der Zuschauer auf beindruckende weise Zeuge, wie eine junge Frau entdeckt, was sie will, und sich an die mühevolle Realisierung ihrer Träume macht.

 4. Musik "Dress" P.J. Harvey

 "Harry meint es gut mit Dir" von Dominik Moll mit Laurent Lucas, Sergi Lopez (Western, Eine pornographische Beziehung) und Mathilde Seigner (Venus Beaute).

Mit 'Lust auf anderes' war 'Harry meint es gut mit Dir' 2000 der Überraschungserfolg des Französischen Kinos in Frankreich.

Ein Nachmittag im Sommer, unerträgliche Hitze im Auto. Michel ist mit seiner Frau Claire und seinen drei kleinen Töchtern auf dem Weg ins Ferienhaus. Auf einer Autobahnraststätte trifft er Harry, einen alten Klassenkameraden, den er kaum wiedererkennt. Dennoch fühlt sich Michel verpflichtet Harry zu sich ins Ferienhaus einzuladen, um dort ein Glas auf das Wiedersehen zu trinken. Einmal angekommen macht Harry keinerlei Anstalten die Junge Familie sobald wieder zu verlassen. Statt dessen macht sich Harry mit Eifer daran, die Alltagsprobleme von denen er seinen Freund Michel bedrängt sieht auf recht unkonventionelle Weise zu lösen. Das macht Harry gut irgend wann aber zu gut. 'Harry meint es gut mit Dir' beginnt als Gesellschaftskomödie und endet als Thriller in einer Weise wie es nur im französischen Kino möglich ist und kann Vergleichen mit den besten Filmen von Claude Chabrol standhalten. Mit 'Lust auf anderes' und 'Harry meint es gut mit dir' war 2000 ein hervorragender Jahrgang des Französischen Kinos, da macht es gar nichts, dass der Film erst Mitte Februar zu uns in die Kinos kommt.

 "In stürmischen Zeiten - The man who cried"

Von Sally Potter (Tango Lesson, Orlando) mit Christina Ricci (Buffalow 66), Johnny Depp, Cate Blanchet (Elizabeth) und John Turturro (Big Lebowski).

"In stürmischen Zeiten'' ist ein großes Melodram um eine junge Frau auf der Suche nach ihrer eigenen Identität und den Resten ihrer Familie. Rußland 1927. Aus einem niedergebrannten Schtetl flieht das kleine jüdische Mädchen Fegele mit nichts mehr als dem Bild ihres Vaters und einer Goldmünze. In der Fremde entdeckt Suzie (Christina Ricci) wie das Mädchen nun genannt wird, ihr Talent für den Gesang. Zehn Jahre später reist sie schließlich als Mitglied einer Revuegruppe ins Paris der späten dreißiger Jahre. Dort begegnet sie Lola (Cate Blanchett), einer blonden Tänzerin aus Rußland. Die beiden Mädchen lernen den Sänger Dante Domino (John Turturro) kennen, der ihnen eine Stelle an der Oper vermittelt. Dort fühlt sich die schüchterne Suzie magisch von dem Zigeuner Cesar (Johnny Depp) angezogen, der als Statist bei der Oper arbeitet. In seinen Armen und bei seiner Sippe findet Suzie zum ersten mal seit ihrer Kindheit wieder so etwas wie Heimat - bis die Deutschen in Paris einmarschieren... ('In stürmischen Zeiten' handelt vom Überleben. Im Zentrum des Films steht ein Mädchen, das von all den Menschen getrennt wird, die es liebgewonnen hat, und das als Flüchtlings-Waise nach England verschlagen, auch sonst alles verliert: Nicht einmal seinen Namen und seine Sprache darf es behalten. Suzie, wie das Mädchen von seiner englischen Pflegefamilie genannt wird fühlt sich ihrer Stimme beraubt, bis sie eines Tages den Gesang als Ausdrucksmittel entdeckt.) Die Personen, denen Suzie auf ihrem Lebensweg begegnet, versuchen ebenfalls zu überleben - jede auf ihre eigene Weise. Sie alle sind Fremde und Außenseiter: Getriebene, die rastlos unterwegs sind.

"In stürmischen Zeiten" ist eine Gradwanderung vorbei an den tiefen Abgründen des Geschichtskitsch, die von großer emotionaler Sicherheit der Regisseurin Sally Potter beim Umgang mit ihrem Stoff zeugt. Christina Ricci und Cate Blanchett sind ein grandioses Duo und Kamera und Bilder von 'Stürmische Zeiten' sind beeindruckend.

 5. Musik "Slave to the wage" Placebo

 6. Musik "Dancing Queen" Abba

Moderation: Peter Goßens
Studio Gast: Jürgen Lütz
Technik: Florian Höfer

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Produziert im Studio des Instituts für Kommunikationsforschung und Phonetik in Bonn Poppelsdorf.