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Radio C - Kultur und Wissenschaft in Bonn
Radio
C
Februar 2002
Di.
12.02. 20.00 Radio Bonn/SU
Moderation: Peter Goßens
Technik: Florian Höfer
Studiogast: Jürgen Lütz
Beitrag: Florian Höfer
Radio C, eine Produktionsgruppe der Radio-Werkstatt-Lora in Bonn-Beuel.
Produziert im Studio des Instituts für Kommunikationsforschung und
Phonetik in Bonn Poppelsdorf.
Jingle: "Homenagem a Mongo" Som Tres
1. Musik "Pick up the phone" The Notwist Album: Neon Golden
2. Musik "We come 1" Faithless Album: Outrospective
Im Februar noch hoch in der Gunst der Kinobesucher:
"Italienisch für Anfänger" von Lone Scherfig
"Italienisch für Anfänger" ist ein Film über
die, nennen wir es, "Italienischen Momente" des Lebens. Das
ist natürlich eine Metapher, und am ehesten gemeint sind Momente
von auffälliger Leichtigkeit, in denen man die Last des Alltags für
kurze Zeit vergessen kann. "Italienisch für Anfänger"
das sind 118 Minuten "Italienische Momente" ob wohl man sie
hier im Traum nicht erwarten würde.
"Italienisch für Anfänger" spielt in einem tristen
Vorort von Kopenhagen, es ist Winter und alle Figuren des Films haben
wirklich nichts zu lachen. Der junge Pastor Andreas, die Friseuse Karen,
die Verkäuferin Olympia, der Hotel-Portier Jorgen und der Restaurant
Manager Hal-Finn, alle einsame Großstadt Singles, werden von ihrem
Alltag und von verschiedenen Schicksalsschlägen gebeutelt. Nur in
einem Italienischkurs der Volkshochschule finden sie etwas Geborgenheit
und mediterrane Wärme. Am Ende des Films wird sich diese Wärme
in ihrem Alltag verbreiten und ihn heller machen. Aber wie es dazu kommt
ist eigentlich ein Wunder, das den Kinozuschauer in größeres
Erstaunen versetzt und besser unterhält, als alle "Harry Potter"
und "Herr der Ringe" Spezialeffekte und Traumgestallten zusammen.
Die
"Italienisch für Anfänger" zur Komödie des Jahres
machende Sensation, für die Zuschauer und die Figuren des dänischen
Alltagsdramas ist die, das die Protagonisten durch ihre Verknöcherungen
hindurch wieder anfangen mit einander zu Reden. "Italienisch für
Anfänger" zeigt einen gesellschaftlichen Tauprozess, bei dem
das Vokabeltraining in einem höchst improvisierten Italienisch Kurs
für die Notwendig Erwärmung sorgt. Das gibt im wahrsten Sinne
Hoffnung für ein Neues Jahr.
Seit Anfang des Monats neu auf den Bonner Leinwänden :
"Was tun wenn's brennt" der Debütfilm von Gregor
Schnitzler ist eine echte Bereicherung für den deutschen Film: Tim,
Flo, Maik, Hotte, Nele und Terror waren in den 80er Jahren die besten
Freunde und Bewohner eines besetzten Hauses in Berlin Kreuzberg. Als militante
Hausbesetzer waren sie damals auch schon mal zum Bau eines explosiven
Denkzettels bereit, falls sich ein Objekt partout nicht besetzen ließ.
Das aber ist lange her und zumindestens Maik, Nele und Terror mittlerweile
Staatsanwalt, Werbedesigner oder alleinerziehende Mutter wollen von ihrer
stürmischen Jugend nichts mehr wissen. Als aber einer ihrer Sprengsätze
12 Jahre verspätet doch noch hochgeht sitzen alle wieder in einem
Boot.
Denn bei der anschließenden Großfahndung in der Berliner Hausbesetzerszene
kommt die Polizei an unwiderlegbare Beweise für die Täterschaft
der ehemaligen Wohngemeinschaft. Diese Beweise müssen vernichtet
werden, bevor die Polizei da zu kommt sie auszuwerten, denn nur ungern
würden die etablierten ehemaligen Hausbesetzer heute auf ihre Positionen
verzichten.
"Was tun wenn's brennt" ist bestes deutsches Unterhaltungskino
vergleichbar mit "Das Leben ist eine Baustelle" oder "Knocking
on Heavens door". Eine gelungene Komödie mit etlichen ernst
zu nehmenden Nebenerzählsträngen und die längst überfällige
Ehrenrettung der 80er Jahre für die man Regisseur Gregor Schnitzler
und seinem brillant spielenden Ensemble dankbar sein muss.
"Invincible" ist der lang erwartete neue Film von Werner
Herzog. Er erzählt die auf Tatsachen beruhende Geschichte des polnischen
Schmieds Zishe Breitbart, der im Berlin der dreißiger Jahre als
stärkster Mann der Welt Kariere im legendären Variete "Hanussens
Palast des Okkulten" machte.
Das der stärkst Mann der Welt Jude ist, passt nicht ins Weltbild
der Nazizeit und auch nicht in das von Zishes zwielichtigem Chef Hanussen
der sich Hitler gerne als Minister für das Okkulte verdingen würde.
Die jüdische Gemeinde von Berlin aber ist begeistert von ihrem neuen
Samson der sich für ihre Sache stark macht. Zishe aber ahnt im all
abendlichen Stellvertreter Kampf zwischen seiner Körperkraft und
der von Hanussen inszenierten Kraft des Geistes das Unglück, das
sich über seinem Volk zusammen braut und sucht nach einem Ausweg
es zu retten.
"Invincible" macht das Interesse der Nationalsozialisten am
Okkulten irritierende deutlich und besonders Tim Roth spielt seine Rolle
des Hanussen herausragend. Des weiteren aber zeigt sich, dass Herzogs
Konzept eines naiven Naturalismus, den er weitgehend durch Leihenschauspieler
zu erreichen sucht nicht mehr zeitgemäß ist. Bisweilen wirkt
sein Film daher wie ein Puppenspiel.
Invincible wurde größtenteils im Kursaal von Bad Honnef mit
über 300 Statisten aus unserem Sendegebiet gedreht!
3. Musik: "Twinkle" Whipping boy Album: Heartworm
"Die Reise nach Kandahar" ist der neue Film des bedeutenden
iranischen Filmemacher Mohsen Makhmalbaf, der bei uns besonders durch
seine Filme "Die Stille" und "Gabbeh" bekannt geworden
ist. Er erzählt von einem verzweifelten Rettungsversuch in Afghanistan.
Die aus Afghanistan stammende Journalistin Nafas erhält im Kanadischen
Exil einen Hilferuf ihrer jüngeren Schwester die droht weil sie es
unter den Taliban nicht mehr aushält sich bei einer bevorstehenden
Sonnenfinsternis umzubringen. Nafas macht sich auf die für eine Frau
ausgesprochen schwierige und gefährliche Reise nach Afghanistan.
Mit ihren Augen sieht der Zuschauer - oft durch das Stoffgitter einer
Burka - fast dokumentarische Bilder von einem faszinierenden und verzweifelten
Land. Und doch ist Kandahar mit seinen explodierenden Farben und einer
fast surrealen Bildmagie auch einer der künstlerisch herausragendsten
Filme der letzten Jahre.
Ein unvergessliches und beeindruckendes Filmerlebnis.
"Das weiße Rauschen" von Hans Weingarten ist ein
Psychothriller der besonderen Art.
Lukas (Daniel Brühl) mit 21 Jahren in die Großstadt in die
WG seiner Schwester. Er hat das sichere Gefühl: Jetzt fängt
das Leben an. Sofort stürzt man sich ins Nachtleben. Doch nach einem
Drogen Trip beginnt Lukas plötzlich Stimmen zu hören. Die Stimmen
beschimpfen ihn und er fühlt sich verfolgt. Paranoide Schizophrenie,
lautet die Diagnose des Arztes. Lukas begibt sich auf eine Flucht vor
sich und seinem beginnenden Wahnsinn auf die Suche nach dem weißen
Rauschen, denn er ist fest davon überzeugt, das nur das weiße
Rauschen ihn heilen kann.
Hans Weingarten zeigt in seinem Film auf erschreckende und eindrückliche
Weise wie fließend die Grenzen zwischen Normalität und Wahnsinn
sind. Ein außergewöhnlicher sehr beeindruckender Film, der
seinen Zuschauern beklemmend nahe kommt. Und dadurch viel Verständnis
für geistige Erkrankungen weckt.
4. Musik "Smells like teen spirit" Tori Amos Album: Precious
Rarities
10. Bonner Kurzfilmtag "Augenblicke" So. 17.2. 16.00 bis 19.00
Rex-Lichtspieltheater Bonn Endenich.
Wie jedes Jahr 11 besondere, preisgekrönte und fast immer äußerst
unterhaltsame Kurzfilme, in denen man Vielleicht die ersten Schritte zukünftiger
Langfilmregisseure bewundern kann.
"Heaven" ein künstlerischer Triumph von Tom Tykwer
"Heaven" der neue Film von Tom Tykwer (Die Tödliche Maria,
Winterschläfer, Lola rennt, Der Krieger und die Kaiserin) startet,
nachdem er letzte Woche die Filmfestspiele von Berlin eröffnet hat,
am 21.02. Deutschland- weit.
Es muss direkt gesagt werden, "Heaven" ist Tom Tykwers schwierigster
Film, mit dem er sich auch sehr schwer getan hat, aber es ist vielleicht
auch sein größter künstlerischer Triumph. Er hat die fast
unlösbare Aufgabe gemeistert, ein Drehbuch des großen polnischen
Moralisten und Kulturpessimisten Krzysztof Kieslowski (Drei Farben: "Weiß"
"Rot" "Blau", "Ein Kurzer Versuch über die
Liebe" etc.) zu verfilmen.
"Heaven" thematisiert den Konflikt eines Einzelnen mit einer
tauben Gesellschaft der in letzter Konsequenz und Verzweiflung zur Gewalt
greift, um einen schädlichen Menschen zu eliminieren und auch bereit
ist für die Folgen einzustehen.
Aber man erzählt den Film am besten vom Ende her, weil das Ende von
"Heaven" ist Kieslowkis Aufgabe, die nach dem Regisseur Tom
Tykwer nun auch die Zuschauer zu meistern haben. Nach einer aufregenden
und sehr spannenden Schuld und Sühne Geschichte fliehen Held Fillipo
(Giovanni Ribisi) und Heldin (Phillipa) (Cate Blanchet) aus der unheilen
Welt in ein Paradies in dem der Sommer auch schon vorbei ist. Immer mehr
nehmen die Weltflüchtlinge die Konturen der biblischen Adam und Eva
Figuren an und fahren am Ende ihrer Flucht mit einem Hubschrauber senkrecht
in den Himmel auf bis sie ganz verschwunden sind. "Heaven" erzählt
die Schöpfungsgeschichte rückwärts. Und mit diesem für
Kieslowski typischen Gedankenspiel, dass die Probleme der Menschheit nur
mit einer Zurücknahme der Schöpfung zu lösen sind, endet
der wohl eindrücklichste Film dieses Kino Monats.
Man kann es Tom Tykwer nicht hoch genug anrechnen, dass er sich an diese
Aufgabe herangewagt hat. Entstanden ist eine intensive, dramatische und
geheimnisvolle Liebesgeschichte und ein Metaphysischer Thriller.
5. Musik "One with the Freaks" The Notwist Album: Neon Golden
6. Musik "Hard to explain" The Strooks Album: Is this it
Nächste Radio C-Sendung am Di., 12. März 2002, 20.00 Uhr.
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