Radio C

Januar
09.01. 20.00
Radio Bonn/SU

1. Musik "Dark Rapture" Count Basie

2. Musik "Break Me" Lemonheads

 

"Brot und Tulpen - Pane e Tulipane"

von Silvio Soldini mit Bruno Ganz in einer seiner schönsten Rollen.

Bei "Brot und Tulpen" wird wieder einmal deutlich, das es vor allem gute Schauspieler Braucht um einen guten Film zu machen Licia Maglietta und Bruna Ganz spielen einfach umwerfend.

"Brot und Tulpen" war in den letzten zwei Jahren Europa weit der erfolgreichste italienische Film, wird das nun auch in Deutschland.

(9! 'David di Donatello', dem italienischen Oscar - u.a. Bester Film, Beste Regie, und alle Darstellerkategorien.)

Rosalba (Licia Maglietta) wird von einer Reisegesellschaft, zu der auch ihre Familie gehört, an einer Autobahnraststätte vergessen. Kurz entschlossen beschließt sie die Gelegenheit zu nutzen und sich ihren lang gehegten Wunsch einer Reise nach Venedig zu erfüllen. Dort verlebt sie unbeschwerte Tage mit dem Kellner Bruno (Bruno Ganz) bis sie merkt, dass ihre Familie ihr einen Detektiv hinterhergeschickt hat.

"Brot und Tulpen" ist eine einfache aber höchst charmante Komödie die vor allem durch das Esprit ihrer Darsteller, allen voran Licia Maglietta lange im Gedächtnis bleibt.

 

 

"Sade" heißt der neue Film von Benoit Jacquot und beschäftigt sich mit dem Marquis de Sade, dem Französischen Skandalautor schlechthin.

Peter: So eine Art Michel Houellebecq?

Jürgen: Ja, auf jeden Fall, denn auch de Sade hat in seinen Schriften versucht die Grenzen von Moral und Gesellschaft durch das überschreiten sexueller Normen zu ergründen. Was dann in Houellebecqs Buch ‚Elementarteilchen‘ allerdings zur Abschaffung der Sexualität führt.

Der Film spielt am Ende des 18. Jahrhunderts. Paris 1794: Die französische Revolution ist über die alte Monarchie hinweg gerollt, in den Gefängnissen vegetieren unzählige Adelige vor sich hin und warten auf die Guillotine. Unter ihnen auch der Marquis de Sade ein berüchtigter Freigeist. Seiner Geliebten gelingt es Sade in ein Sanatorium verlegen zu lassen. Aber auch das Sanatorium ist nur ein besseres Gefängnis in dem man jeden Tag den Tod vor Augen hat wenn auch die Insassen versuchen ein normales Leben zu leben. Ein Staat im Staate entsteht. Der Freigeist Sade ist unter den inhaftierten Adeligen genauso wenig gut gelitten wie unter den Revolutionären. Damit aber ist die Figur des Marquis ein idealer Spiegel für ein Gesellschaftsportrait. Mehr aber ist Benoit Jacquots Film, der mit seinem ersten Film ‚Die Schule des Begehrens‘ mit Isabelle Huppert so große Erwartungen geweckt hat, leider nicht, weil er zu wenig auf de Sade als Intellektuellen eingeht, sondern ganz der durch Daniel Auteuil bemerkenswert interpretierten Charismatik (Ausstrahlung) der mystischen Kunstgestalt ‚Sade‘ verfällt.

 

 

3. Musik "Wrong" Everything but the Girl

 

 

"Süsses Gift" von Claude Chabrol mit Isabelle Huppert und Jacques Dutronc.

In Claude Cabrols 52. Film geschieht alles doppelt. Die Erbin eines schweizer Schokoladenimperiums Marie Claire, genannt Mica, heiratet zum zweiten Mal den Konzert Pianisten Andre Polonski und gibt sich alle Mühe Polanskis Sohn aus zweiter Ehe eine gute Stiefmutter zu sein. Micas spätes Familien-Glück hat ein jähes Ende, als eines Tages Jeanne, eine junge Frau, vor der Tür steht und behauptet, dass Sie möglicherweise die bei der Geburt mit seinem Sohn vertauschte Tochter des Pianisten sei. Polonski ist fasziniert, denn Jeanne gleicht seiner zweiten Frau wie aus dem Gesicht geschnitten und ist obendrein auch noch ein begabte Nachwuchspianistin, die sich auf einen schwierigen Wettbewerb vorbereitet. Polonski beschließt mit ihr zu arbeiten. Bei Mika aber steigen düstere Erinnerungen an den mysteriösen Unfalltod Ihrer Vorgängerin auf. "Süßes Gift" ist nach Chabrols letztem Meisterwerk "Die Farbe der Lüge" nun wieder ein eher mittelmäßiger Chabrol-Film, der vor allem durch seine exquisiten Schauspieler fasziniert, aber immer noch um Längen besser ist als viele andere europäische und amerikanische Filme.

 

 

"Tiger und Drache" ist der neue Film von Ang Lee erzählt die Geschichte dreier Frauen, eines Schwertmeisters und eines Wegelagerers mit den atemberaubendsten Landschaftsaufnahmen seit "Himalaya" und der "Englische Patient".

Jeder Film von Ang Lee ist auf den ersten Blick anders, aber egal ob Ang Lee Jane Austen (Sinn und Sinnlichkeit) mit Emma Thompson verfilmt, mit "Hochzeitsbankett" und "Eat Drink Man Woman" einfühlsame Familienkomödien dreht, oder mit "Der Eissturm" (Rick Moody) wichtige amerikanische Gegenwartsliteratur verfilmt, immer gehören seine Filme zum besten, was das Filmkunstkino zu bieten hat.

Mit "Tiger und Drache" hat sich Ang Lee seinen Jugendtraum erfüllt einmal einen (Kung fu) Kampfkunst Film zu drehen. Aber "Tiger und Drache" wäre kein Ang Lee-Film, wenn es nur um verblüffend choreografierte Kampfszenen ginge. Eingebettet in eine klassische Geschichte von dem Schwertmeister Li Mu Bai (Chow Yun Fat), der sein Schwert ablegt, um sich nur noch der Meditation zu widmen, erzählt "Tiger und Drache" von drei unterschiedlichen Frauen, die versuchen in der Mythen- und Vorurteil reichen Welt des Klassischen China ihren Weg zu gegen. Shu Lien (Michelle Yeoh) liebt seit vielen Jahren ihren Kampfgefährten und Freund den Schwertmeister Li Mu Bai. Als Mu Bai sein Schwert ablegt, um sich der Meditation zu widmen hofft Shu Lien das Bai mit der Zeit auch den Weg zu ihr finden wird. Als sein Schwert aus dem Haus des Prinzen Te gestohlen wird, macht sich Shu Lien auf die Suche nach dem Dieb. Als sie ihn eines Nachts für kurze Zeit stellen kann muss sie erkennen, das der Dieb eine junge Frau und ihr in der Kampfkunst mindestens ebenbürtig ist. Shu Lien kommt der Verdacht, dass die Diebin sich im Gefolge der Tochter des Gouverneurs Yu, (Jen Yu (Zhang Ziyi, "Heimweg")) befinden muss, die sich zur Zeit in Prinz Tes Haus aufhält, um in Peking eine von ihrem Vater arrangierte Ehe einzugehen.

"Tiger und Drache" ist für mich der außergewöhnlichste Liebes- und Abenteuerfilm seit "Der Englische Patient" und "Himalaya" ein famoses Stück (nachdenkliche) Kinounterhaltung mit großen Schauwerten und einer Geschichte die einem lange im Gedächtnis bleiben wird.

 

 

4. Musik "One Line" P.J. Harvey

 

"Die wiedergefunden Zeit" von Raúl Ruiz.

"Die wiedergefunden Zeit" eine sehr anspruchsvolle aber auch sehr faszinierende Literaturverfilmung.

Der letzte Band von Marcel Prousts Jahrhundert Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", "Die wiedergefundenen Zeit" ist mit großem Star-Aufgebot verfilmt worden.

Paris 1922. Der Schriftsteller Marcel Proust (Andrè Engel) liegt auf dem Sterbebett. Fotografien erinnern ihn an seine Familie, seine Freunde und die Frauen, die er geliebt hat. Längst sind für ihn die Bilder der realen Personen zu Bildern seiner Romanfiguren geworden. Proust versinkt in Erinnerungen an den Roman, der sein Leben geworden ist.

Der Film "Die wiedergefundene Zeit" ist, wie der zugrunde liegende Roman, ein Kunstwerk, das das Erinnerungsvermögen feiert.

Drei zeitlich getrennte Hauptstränge der Erzählung werden durch Erinnerungen an Jugend und Kindheit der erzählenden Romanfigur miteinander verflochten und sind von einer Rahmenhandlung, die das Sterben des Schriftstellers Marcel Proust (Andrè Engel) thematisiert umschlossen. Der Ich-Erzähler des Romans, Marcel, (Marcello Mazzarella) ist mehr Zeuge und Beobachter, als Akteur seiner eigenen Erinnerungen.

Auf diese Weise entsteht ein beeindruckendes, in brillanten Bildern fotografiertes Zeit- und Gesellschaftsporträt des frühen 20. Jahrhunderts, das einen der wichtigsten Romane der europäischen Literaturgeschichte kongenial umsetzt. Leinwand-Stars wie Catherine Deneuve als Odette, Emmanuelle Béart als Gilberte, und John Malkovich als Baron de Charlus geben dem Film darüber hinaus eine unvergessliche Gestalt.

Peter: Prousts Werk gilt ja von seinem Umfang einmal abgesehen, als schwierig, weil es so viele Rückblenden, Vorausschauen und Nebenlinien enthält, das man leicht den Faden zu verlieren meint. Bzw. auch schwer erklären kann worum es überhaupt geht.

Wie kommt denn der Film mit solchen Schwierigen Bedingungen zurecht?

Jürgen: Ich denke sehr gut, der Film des Pariser Exil-Chilenen Raul Ruiz

versucht erst gar nicht eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen, (wie das Schlöndorff "In eine Liebe von Swann" versucht hat (klassische Eifersuchtsgeschichte)) er ahmt vielmehr die Erzählhaltung des Ich-Erzählers in Prousts Roman nach:

Mit den Augen des Ich-Erzählers Marcel (Marcello Mazzarella) beobachtet der Film und mit ihm der Zuschauer Menschen über lange Zeiträume und versucht ihre wahren Charaktere und Gefühle hinter ihren Gesellschaftsmasken aufzuspüren. Oft gelingt dies nur über die Geheimnisse und Verletzlichkeiten der Figuren, deren Zeuge man gemeinsam mit dem Erzähler wird.

Zuschauer, die mit Proust nicht vertraut sind, könnten annehmen, dass ein so umfangreiches Werk einen Haupterzählstrang enthalten muss. Am Ende eines jeden Romans von Proust erinnert man sich aber nicht an eine, sondern an eine Vielzahl von Geschichten, deren Bruchstücke man unterwegs aufgelesen hat.

Darin liegt die Größe und Modernität von Prousts Romanen. Etwas Vergleichbares im Film zu ermöglichen, darin liegt das Wagnis von Raúl Ruiz‘ Verfilmung.

 

 

5. Musik "Police of Truth" Depeche Mode

 

 

6. Musik "Wassiye" Habib Koité

Produktionsgruppe: Radio C

Moderation: Peter Goßens

Studio Gast: Jürgen Lütz

Technik: Florian Höfer

Radio-Werkstatt-Lora in Bonn-Beuel.

Produziert im Studio des Instituts für Kommunikationsforschung und Phonetik in Bonn Poppelsdorf.