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Radio C - Kultur und Wissenschaft in Bonn
Radio
C
Juni 2002
Di.
11.06.2002, 20.00 Radio Bonn/SU
Moderation: Peter Goßens
Technik: Florian Höfer
Studiogast: Jürgen Lütz
Radio C, eine Produktionsgruppe der Radio-Werkstatt-Lora in Bonn-Beuel.
Produziert im Studio des Instituts für Kommunikationsforschung und
Phonetik in Bonn Poppelsdorf.
Jingle: "Homenagem a Mongo" Som Tres
1. Musik "Crystal" New Order Album: Get Ready
2. Musik "Sincere" MJ Cole Album: Sincere
Hoch in der Gunst der Kinobesucher:
"Der Stellvertreter" von Constantin Costa-Gavras
"Der Stellvertreter" von Constantin Costa-Gavras ist die lange
erwartete Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Rolf Hochhut
mit Ulrich Tukur und Mathieu Kassovitz.
Der SS-Hygiene Offizier Kurt Gerstein entdeckt, dass seine Parteikollegen
im Osten Polens eine gigantischen Industriekomplex zur Vernichtung der
angeblich ausgesiedelten Juden Deutschlands errichtet haben und das dass
Zyklon-B für dessen Lieferung er verantwortlich ist zu industriellen
Tötung von Menschen verwendet wird. Trotz erheblicher Skrupel beschließt
Gerstein als Rädchen im Getriebe weiterzuarbeiten, weil er glaubt,
das nur internationale Aufmerksamkeit die Judenvernichtung stoppen kann.
Als gläubiger Christ hofft Gerstein besonders auf einen moralischen
Einspruch der Kirchen. Beim Versuch die Aufmerksamkeit des Papstes auf
die Vernichtung der Juden zu lenken stößt Gerstein auf den
jungen Jesuiten Ricardo. Ricardo glaubt Gerstein seine für damalige
Verhältnisse unglaubliche Geschichte. Und versucht von sich aus zum
Papst vorzudringen.
In spannender Parallelmontage zwischen Gerstein und Ricardos Schicksal
ist ein fesselndes Stück Politisches Kino entstanden, das eine Vielzahl
von Fragen aufwirft, und die Kraft hat längst verkrustete Meinungen
wieder zu überprüfen.
"Der Stellvertreter" vom Altmeister des engagierten politischen
Kinos Constantin Costa-Gavras lässt den Juni mit Diskussionen beginnen
und auch für Schulklassen kann man sich keinen vielschichtigeren
Diskussionsfilm vorstellen.
Tanguy - Der Nesthocker von Etienne Chatiliez
Tanguy - Der Nesthocker ist eine wunderbare französische Komödie
von Etienne Chatiliez. Achtung über diesen Film können nicht
alle lachen. Junge Leute finden ihn unmöglich bis furchtbar Menschen
ab 35 finden ihn grandios.
Welches Thema könnte die Menschheit so spalten? Kein anderes als
das Verhältnis der Generationen selbst? Tanguy erzählt die Geschichte
eines jungen hochbegabten Mannes der mit 28 noch zu Hause wohnt, sich
dort wie die Made im Speck, fühlt und von Jahr zu Jahr seine Docktorarbeit
verlängert. Weswegen ehr natürlich weiter im Hotel Mama wohnen
bleiben muss.
Eines Tages aber ist auch die Geduld von Tanguys Eltern am Ende und mit
zunehmender Freude an der Sache beginnen die Eltern den Sprößling
aus dem Haus zu ekeln. Tanguy - Der Nesthocker von Etienne Chatiliez ist
eine wunderbare Komödie für Menschen die ihren festen Platz
im Leben gefunden habe.
"Elling" von Petter Naess
Das Norwegische Komödien Meisterwerk Elling bezaubert jetzt schon
seit gut einem Monat die Bonner Zuschauer.
"Elling" erzählt die Geschichte einer ungleichen Männerfreundschaft.
Elling und Kejll Bjarne lernen sich in der Psychatrie kennen und werden
zusammen in eine Osloer Stadt Wohnung entlassen, von der aus sie unter
Betreuung eines Sozialarbeiters wieder im Leben Fuß fassen sollen.
Aber das ist natürlich leichter gesagt als getan. Vor allem für
die Titelfigur Elling werden normale Tätigkeiten wie Telefonieren,
Einkaufen und durch ein belebtes Restaurant gehen zum echten Abenteuer;
und aus der Sicht Ellings, - die der Zuschauer unweigerlich einnimmt,
- zur Lachmuskeln strapazierenden Groteske. Dabei aber kann sich Elling
gleichzeitig des Mitgefühls der Zuschauer sicher sein, denn wenn
eines in den kurzweiligen 90 Minuten deutlich wird, dann das, etwas von
einem Elling, dem das Alltäglich nicht mehr leicht fällt in
jedem von uns steckt. Somit ist der nach seiner Hauptfigur benannte Film
"Elling" ein kleines Meisterwerk, über die Anstrengungen
gesellschaftlicher Normalität, die uns oft vom Leben abhalten.
"Spiderman" von Sam Raimi
Wie zu erwarten wurde der letzte Monat im reinen Unterhaltungskino von
der zweiten Folge des Starwars Epos beherrscht. Wie wir das aber schon
in der letzten Sendung befürchtet haben sind Geschichte und vor allem
die Dialoge diesmal sehr dünn ausgefallen,
die Spezialeffekts sind erwartungsgemäß grandios.
Wesentlich mehr menschlichen Charme hat da der aktuelle US-Blockbuster
"Spiderman" zu bieten in dem Tobey Maguire den von der gentechnisch
manipulierten Spinne gebissenen spielt. Nach einer epischen und sehr originellen
Eingewöhnungsphase in der unser Held lernt mit seinen Superheldenfähigkeiten
annähernd umzugehen, benutz Spiderman seine überraschenden Fähigkeiten
zunächst nur um seiner Jugendliebe zu imponieren. Das geht solange
gut, bis die Mächte des Bösen ihn als möglichen Widersacher
entdecken. Leider geht der Film gegen Ende etwas im Effektgewitter unter,
aber Freunde der Batmanfilme und anderer Comicverfilmungen kommen hier
voll auf ihre Kosten.
3. Musik: "It's a shame" Talk Talk Album: It's my Life
"Songs from the second Floor" von Roy Anderson
Der Film des schwedischen Werbefilmers Roy Anderson hat letztes Jahr in
Cannes den Spezialpreis der Jury gewonnen und ist sicherlich der außergewöhnlichste
Film der dieses Jahr auf den Bonner Leinwänden zu sehen ist. In nahezu
dreißig festen Einstellungen entwirft Anderson ein grotesk komisches
Bild einer Gesellschaft am Abgrund, für das es kaum filmische Vorbilder
gibt. Vorbilder für dieses beeindruckende Neuland des Films sind
eher in der Malerei der Neuen Sachlichkeit bei Otto Dix und Georg Grosz
zu suchen.
Andersons satirische Alltagsminiaturen sind, auch wenn alle Bewegungen
von elegischer Schwere sind, ausgesprochen spannend, was für ihre
hohe Präzison, ihre Treffsicherheit und Wirksamkeit spricht. Viele
Szenen dieses Films sind unvergesslich, die Wirtschaftsweisen die bei
einer Sitzung in Panik ausbrechen, oder die endlose Zahl Reisender in
einer endlos langen Flughafenabfertigungshalle, die flink wie Ratten diesem
mitteleuropäischen Leben entfliehen wollen, als ginge es darum das
letzte Flugzeug zu erwischen, aber von ihrer Gepäcklast gebremst
werden, als ob sie die Bausteine eines Pyramiden ähnlichen Grabmals
für unsere europäische Kultur hinter sich herzögen.
"Pollock" von Ed Harris
"Pollock" ist die beeindruckende Künstlerbiographie des
amerikanischen Expressionisten und Actionpainters Jackson Pollock.
Von und mit dem renommierten amerikanischen Schauspieler Ed Harris (Truman
Show) in der Titelrolle.
Wie jeder wirklich gute Künstlerfilm erklärt "Pollock"
nichts sondern zeigt nur die Zufälle durch die Jackson Pollock seine
Art des Malens entdeckt und nach vielen Misserfolgen eines Tages entdeckt
wird. Trotz seiner großen Erfolge bekommt Pollock seine persönlichen
Probleme die ihn zu einem trinkenden Autisten machen nicht in den Griff.
Nachhaltig faszinierend und für den Film einnehmend sind die Momente
gelöster Freiheit, wenn Pollock malt. In diesen Momenten scheint
es, sind alle Blockierungen und Verkrampfungen des mit sich selbst im
Kriegbefindlichen Mannes wie weggeblasen. Ed Harris Film "Pollock"
läst das Rätsel der Kunst unangetastet, macht vielmehr deutlich
wie wichtig die Kunst für den einzelnen Kunstschaffenden sein kann.
Am Ende wünscht man sich, das der Mensch Jackson Pollock doch etwas
von der Stärke seiner Bilder gehabt hätte.
4. Musik "Squares" The Beta Band Album: Hot Shots II
"Satin Rouge - Roter Satin" von Raja Amari
Der tunesische Film "Satin Rouge - Roter Satin" erzählt
die Geschichte einer tunesischen Frau die eine zweite Chance bekommt ihr
Leben in neue Bahnen zu lenken. Die Witwe Lilia genießt den Ruf
einer anständigen Frau, die sich hingebungsvoll um ihre fast erwachsene
Tochter kümmert. Weil sie ihre Tochter auf Abwegen glaubt durchstreift
Lilia nachts die Stadt und landet eines Nachts im Nachtklub "Satin
Rouge". Dort ist sie fasziniert von einer Welt in der Frauen in der
Form des Bauchtanzes ihre Sinnlichkeit ausleben können und dafür
von den zuschauenden Männern und Frauen Anerkennung finden. Obwohl
sie moralische Bedenken hat kehrt sie zurück. Sie freundet sich mit
den tanzenden Frauen an und steht nach einiger Zeit selbst auf der Bühne.
Die zunächst unscheinbare Frau verwandelt sich unter den Blicken
der Zuschauer in eine begehrenswerte temperamentvolle Tänzerin. Durch
das Tanzen wird sich Lilia ihrer verborgenen Wünsche und Sehnsüchte
bewusst, gleichzeitig aber muss sie sich auch der Kehrseite ihrer neuentdeckten
Sinnlichkeit, widersprüchlichen Gefühlen wie Liebe und Verlangen,
Erniedrigung und Eifersucht stellen.
Joint Security Area von Park Chan Wook
"Joint Security Area" erzählt die Geschichte einer verbotenen
Soldaten Freundschaft im Militärischen Grenzgebiet zwischen Nord-
und Südkorea.
Bei einem rätselhaften Zwischenfall zwischen nord- und südkoreanischen
Soldaten in der entmilitarisierten Sicherheitszone kommen drei Soldaten
ums Leben ein überlebender kommt schwerverletzt ins Krankenhaus.
Eine neutrale Schweizer Soldatin koreanischer Abstammung wird mit den
heiklen Ermittlungen betraut. Zunächst stößt sie auf ablehnendes
Schweigen und die Bemühung beider politischer Systeme den Vorfall
für ihre Zwecke auszubeuten.
Erst als sich ein weiterer Soldat das Leben nimmt beginnt der überlebende
Soldat Lee zu sprechen. In Rückblenden erfährt man das einige
Monate Freundschaft nicht in der Lage sind jahrzehntelang eingetrichterte
Feindbilder die beide Seiten von einander haben zu beseitigen. Eine nordkoreanische
Grenzstreife rettet dem südkoreanischen Grenzsoldaten Lee sein von
einer Miene bedrohtes Leben. Damit beginnt so etwas wie nachbarliche Normalität
zwischen zwei Grenzposten der beiden verfeindeten Blöcke. Man trifft
sich heimlich, hört Musik, raucht und erzählt sich Geschichten
von den Familien. Als die verbotene Freundschaft überraschend entdeckt
wird, gelten auf einmal wieder die alten Regeln des Kalten Krieges und
es wird deutlich das sich die Parolen und Programmierungen der Soldaten
nicht so einfach aufheben lassen.
Durch die Fußball WM sind die Augen der Welt auf Südkorea gerichtet
Park Chan Wooks beeindruckender Politthriller zeigt, das Korea ein geographisch
und in Herzen und Köpfen geteiltes Land ist, das einen noch überaus
schwierigen Weg zu Normalität vor sich hat.
5. Musik "Lifetimes" Slam Album: Alien Radio
In
ihrem Radio hören Sie uns wieder am Di. den 09. Juli um 20.00.
6. Musik "The world keeps turning" Tom Waits
Soundtrack: Pollock Musik by Jeff Beal
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