Radio C - Kultur und Wissenschaft in Bonn


Mai
D
i., 8.05., 20.00 Uhr, Radio Bonn/Rhein-Sieg


Moderation: Peter Goßens
Studiogast: Jürgen Lütz
Technik: Florian Höfer


1. Musik „The Summer“ Yo la tengo


2. Musik „Dentro la tasca di un qualungue mattino“ Gianmaria Testa


Peter: Jürgen, was erfreut denn zur Zeit die Herzen der Bonner Kino-Besucher doch nicht etwa immer noch „Brot und Tulpen“ oder "Chocolat“?

Jürgen: Nun dieses Jahr scheint das Jahr der Langläufer zu werden alle Filme die wir in den letzten Monaten vorgestellt haben Sind immer noch in der Auswertung allen vorran natürlich „Brot und Tulpen“ der nun schon seit fast sechs Monaten erfolgreich in den Bonner Kinos läuft. Aber auch der Ang Lee Film „Tiger and Dragon“ hat vom Oscar Segen profitiert und läuft nun schon seit über zweieinhalb Monaten. Und auch „Chocolat“ ist nach zwei Monaten Spielzeit immer noch sehr gut im Rennen und das, ob wohl er auf drei Bonner Leinwänden läuft.

Peter: Liegt das daran, dass es nichts anderes gibt, oder wie kommt es, dass auf einmal die Filme nicht Tod zu kriegen sind? Ich habe gesehen, das „Majestät brauchen Sonne“ und „Billy Elliot“ auch noch irgendwo laufen.

Jürgen: Nein dass nichts anderes läuft, kann man wirklich nicht behaupten, den auch zwei Film, die wir beim letzten Mal vorgestellt haben, der ungemein spannende Drogenthriller „Traffic“ von Steven Soderbergh und die originelle schwedische WG-Komödie „Zusammen“ von Lukas Moodysson schicken sich an die nächsten Langläufer zu werden.

"Traffic" ein Jahres-Highlight, der neue Ausnahmefilm von Steven Soderbergh Mit Michael Douglas, Catherine Zeta Jones, Benicio Del Toro.
Steven Soderbergh ist einer der vielseitigsten und interessantesten amerikanischen Filmemacher (Sex Lies and
Video Tapes, Kafka, Out of Sight, The Limey, Erin Brocovich). In bester Robert Altman-Manier (Short Cuts)
vernetzt Soderbergh drei Erzählstränge aus der mexikanischen und amerikanischen Drogen Szene und deren
Bekämpfung zu einem eindrucksvollen Gesellschaftsbild, das noch lange nachwirkt. Es gehört zu den Leistungen dieses auch Formal und visuell sehr außergewöhnlichen Films, dass er keine klassische Polizei und Drogendealer Geschichte erzählt, sondern zeigt, wie sehr Drogenkultur, Drogenkriminalität und Gesellschaft miteinander vernetzt sind. „Traffic“ erzählt zum Beispiel die Geschichte einer Frau und jungen Mutter die eines Tages aus allen Wolken fällt, als sie erkennen muss, dass ihr für sie aus heiterem Himmel inhaftierter Mann, Leiter einer Geldwaschfirma der Drogen Mafia ist. Parallel verläuft die Geschichte eines Oberstaatsanwalt der ein Regierungsprogramm gegen die Drogenkonsum und Kriminalität aufstellen soll, aber noch nicht einmal verhindern kann das seine eigene Tochter abhängig wird. Aber „Traffic“ ist kein Problemfilm der einfache Lösungen präsentiert. Vielmehr zeichnet er sich dadurch aus, dass er die richtigen Fragen stellt und offen lässt und funktioniert darübern hinaus als ausgesprochen spannendes Stück Kinounterhaltung.

"Zusammen - Tillsammans"
Nach 'Raus aus Amal' der neue Film von Lukas Moodysson.
„Zusammen“. ist eine überraschende und bewegende Komödie über eine schwedische 70er-Jahre Familien-WG, antiautoritäre Erziehung, Pippi Langstrumpf und vor allem ABBA-Musik. Mit dieser beste Unterhaltung
garantierenden Mischung ist „Zusammen“ in anderen europäischen Ländern bereits ein großer
Publikumserfolg.
Schweden Ende der 70er Jahre. Elisabeth hat genug von ihrem Mann und ihrem bürgerlichen Leben. Sie packt
ihre Koffer, nimmt ihre Kinder und zieht zu ihrem Bruder Göran. Göran aber lebt in einer Hippi Kommune die
Ende der 70er Jahre bereits den goldenen Zeiten der Flowerpower Bewegung hinterher trauert, dennoch aber noch immer heißblütig über Politik und Gemüseanbau diskutiert, möglichst unverkrampft freie Liebe zu praktizieren versucht und jede Menge Rotwein trinkt. Für Elisabeth ein Kulturschock. Der für alle beteiligten Folgen haben wird.

Wie bereits in seinem von Kritik und Publikum sehr geschätzten Erstlingsfilm „Raus aus Amal“ sind es wieder
die genau und liebvoll beobachteten Details die „Zusammen“ und die Dargestellte Chaos WG so symphatisch
machen. Die Liebe zum Detail macht „Zusammen“ zu einer außergewöhnlichen Kinounterhaltung, die funktioniert wie ein „Pettersson & Findus“-Bilderbuch für Erwachsene.

Peter: Dann liegt es wohl an unserer Sendung, denn schließlich haben wir ja alle diese Kino Highlights hier bei Radio-C vorgestellt. Wer es nicht glaubt, kann ja die alten Sendungen und deine Kritiken Jürgen, auf unserer Homepage Radio-C.de nachlesen.

Jürgen: Und natürlich auch die Musik Titel, die uns Florian in unsere Sprechpausen mischt. Aber bei allem Eigenlob muß ich doch sagen, dass dieses Frühjahr wohl einfach ein überdurchschnittlich gutes Kino-Frühjahr ist und als solches mit einem recht mäßigen Kino Herbst im Letzen Jahr korrespondiert.

Peter: Das heißt, die Kinobesucher-Zahlen bleiben übers Jahr verteilt relativ konstant?

Jürgen: Ja ich denke das kann man so sagen.

Jürgen: Seit einigen Tagen neu in den Bonner Kinos ist der aufwändige Französisch Deutsche Kostümfilm des Farinelli-Regisseur“ Gérard Corbiau „Der König tanzt“.

Peter: Den haben wir doch beim letzten mal auch schon vorgestellt?

Jürgen: Ja, das ist richtig, aber ich möchte ihn noch einmal erwähnen, weil der Film sehr stark von der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen gefördert worden ist, damit die internationale Produktion in Deutschland und vor allem in Nordrhein-Westfalen produziert wurde. Wer also sehen möchte , wo unsere Steuergelder bleiben, der braucht sich nur diesen Film anzusehen.

Peter: Warum fördert das Land Nordrhein-Westfalen die Produktion von Kinofilmen?

Jürgen: Weil man versucht NRW als Medien- und Filmproduktions-Standort europaweit zu etablieren.

„Der König tanzt“ ist eine beeindruckende Künstlerbiographie und Historienfilm des Farinelli-Regisseur“ Gérard Corbiau, ein Französisch Deutscher Kostümfilm. „Der König tanzt„ führt und verführt seinen Zuschauer ans Ende des 17. Jahrhunderts an den Hof Ludwigs des XIV. mit so noch nicht gesehenem Ausstattungskino. Der Junge König Louis ernennt den Florentiener Jean Babtist Lully zum Hofkomponisten. Fort an folgt Fest auf Fest, Ballett auf Ballett. Die alle nur die Aura des Sonnenkönigs unterstreichen soll. Lully kann sich dem von ihm selbst geschaffenen Tanz um den Goldenen König nicht entziehen und verliebt sich in den von allen seiten verehrten Monarchen. Eine Überschreitung gesellschaftlicher Grenzen die auf kein gutes Ende zusteuern kann. Auch wenn die erzählten Geschichten die „Der König tanzt“ zu erzählen versucht für mich nicht immer nachzuvollziehen waren, überzeugt der Film doch in jedem Fall durch seine außergewöhnliche Ausstattung und Musik.


3. Musik „The Distance“ Cake


You can count on me“ (Du kannst auf mich zählen) von Kenneth Lonergan ist die berührende Geschichte zweier Geschwister Sammy und Terry, die nach dem frühen Unfall-Tod ihrer Eltern auf sich alleine gestellt sind. Während es der älteren Schwester Sammy (herausragend gespielt von Laura Linney) scheinbar gelungen ist sich im Leben ihrer kleinen amerikanischen Heimatstadt zu etablieren, ist ihr jüngerer Bruder Terry ( Mark Ruffalo) ein Nestflüchter, der es nie lange irgendwo ausgehalten hat. Mit den Jahren haben sich eine ganze Reihe von Problemen in seinem Reisegepäck angesammelt. Bei ihrem alljährlichen Treffen kommt seine Schwester dahinter das er eine kurze Zeit im Gefängnis war und sich und ihr etwas vormacht. Sie fordert ihn auf eine Weile im gemeinsamen Elternhaus zu bleiben, um mit sich ins Reine zu kommen. Ihr neuerliches Zusammenleben gestaltet sich als nicht einfach und doch wird man als Zuschauer Zeuge wie es zu kleinen, zum Teil bewegenden und zum Teil hoch amüsanten Veränderungen im jeweiligen Verhalten der beiden kommt. Die überraschendste Wandlung macht für den Zuschauer die Schauspielerin Laura Linney durch, die für ihr Leistungen völlig zu recht für den Golden Globe und den Oscar nominiert war und beide Preise verdient gehabt hätte.



„Die Farben des Paradieses“ der neuen Film des Iranische Regisseurs Majid
Majidi “ gehört nicht nur inhaltlich sonder auch optisch und visuell zu den absolut
schönsten Filmen des Jahres. Majid Majidi ist bekannt geworden durch seinen
Film „Kinder des Himmels“ der im letzten Jahren in Bonn zu sehen war.
„Die Farben des Paradieses“ erzählt die Geschichte eines kleinen iranischen
Jungen der seit seiner Geburt blind ist. Während das Kind von seiner Großmutter
und seinen Geschwistern abgöttisch geliebt wird, weigert sich sein verwitweter
Vater zu seinem behinderten Sohn zu stehen, weil er glaubt das sein Sohn sich
negativ auf seine Chancen noch einmal zu verheiraten auswirken könnte und
versucht ihn gegen den Wiederstand seiner Familie wegzugeben.
In vielen iranischen Filmen, die zu uns in die Kinos kommen sind Kinder die
scheinbaren Hauptprotagonisten weil es im Iran vermeindliche Kinderfilme
leichter haben durch die Zensur zu kommen bzw. überhaupt realisiert zu werden.
Majid Majidi beherrscht diese Technik perfekt. In Wirklichkeit ist „Die Farben
des Paradieses“ ein sehr hintergründiger Film über eine Gesellschaft und ihr
Verhältnis zu Außenseitern.
Es hört sich widersprüchlich an, aber die Kamera folgt oft sehr behutsam dem
Getaste des Jungen und enthüllt so dem Zuschauer Dinge und Natur in einer
Weise, wie man sie noch nie zuvor im Kino gesehen hat. Dieses dem Außenseiter
seiner Wahrnehmung Aufmerksamkeit zu schenken und ihren Wert anzuerkennen
ist die Botschaft dieses politischsten aller Landschafts und Kinder-Filme.


4. Musik „Talk Talk“ Talk Talk


Solas“ (Einsam) von Benito Zambrano ist ein außergewöhnlicher und kurioser
spanischer Beziehungsfilm. In seinem mehrfach ausgezeichneten Spielfilm Debüt
erzählt Zambrano mit erstaunlicher Sicherheit von einem familiären
Generationskonflikt und den Schwierigkeiten der Liebe.
Erstklassige Darsteller Leistungen, allen vor an Ana Fernandes und María Galina
als Tochter und Mutter, zeigen Charaktere von einer Differenziertheit und
Faszination, wie man sie selten im Kino zu sehen bekommt.
In einer öden Vorstadt von Sevilla schlägt sich die 35-jährige Maria als Putzfrau
durch. Die meistens übelgelaunte und alkoholisierte Frau muss eines Tages ihre
sanftmütige Mutter aufnehmen, die ihren Mann, das patriarchale
Familienoberhaupt, wegen eines Krankenhaus Aufenthaltes in die Stadt begleiten
muss.
Alte Familenwunden brechen wieder auf, die sich alle um die Abhängigkeit der
beiden Frauen von ihren Vätern und Männern drehen. Ein paar Wochen später
verläßt die Mutter wieder mit ihrem genesenen Mann die Stadt. Aber mit ihrem
nicht zur Verbitterung neigenden freundlichen Gemüt, hat sie der Tochter ein
soziales Netz geschaffen, das die Tochter von nun an in der anonymen Stadt
tragen wird. „Solas“ erzählt die überraschende Geschichte eines kleinen sozialen
Wunders.



The closer you get“ von Ailleen Ritchie ist mittlerweile in anderen deutschen
Städten schon angelaufen und entwickelt sich auch von den Besucherzahlen zu
‚Der‘ britisch/irische Komödie nach „Lang lebe Ned Devine“.
Die Junggesellen eines irischen Küstendorfes sind mit ihrem heimatlichen
Frauenangebot unzufrieden. Abhilfe soll eine Anzeige bringen mit der
heiratswillige, gutaussehende Amerikanerinnen auf die Insel gelockt werden sollen.
Gesagt getan. Von nun an wird man Zeuge wie sich die Männer auf die Ankunft
der Zukünftigen vorbereitet und darüber hinaus einmal in der Woche kollektiv an
der örtlichen Bushaltestelle auf die ersehnten Frauen warten.
Zurück geht es dann meist mit dem Spruch: Und wenn sie diese Woche nicht
gekommen sind, kommen sie eben nächste Woche.
Das alles bleibt der holden Weiblichkeit des Dorfes nicht verborgen und so können
sich die Männer, wenn sie mal wieder enttäuscht von der Bushaltestelle nach Hause
kommen vor bösem Spot kaum retten. Nach einer Weile können auch die
einheimischen Damen nicht verhehlen, dass ihnen die meist hygienischen, zum Teil
grotesken und hoch amüsanten Vorbereitungen der Männer für die
Amerikanerinnen gut gefallen.
Es ist immer wieder überraschend wie gut Britisches Kino mit ganz einfachen
Erzählideen und unverbrauchten Kino Gesichtern unterhält.
„The closer you get“ das ist britisches Kino wie man es kennt und liebt.


5. Musik „Nothing compares to you“ Sinéad O‘Connor


6. Musik „Mrs Robinson“ Lemonheads

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