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Radio C - Kultur und Wissenschaft in Bonn
Radio
C
März 2002
Di.,
12.03.02, 20.00 Uhr, Radio Bonn/SU
Moderation: Peter Goßens
Technik: Florian Höfer
Studiogast: Jürgen Lütz
Beitrag: Günter
Regenberg
Radio C, eine Produktionsgruppe der Radio-Werkstatt-Lora in Bonn-Beuel.
Produziert im Studio des Instituts für Kommunikationsforschung und
Phonetik in Bonn Poppelsdorf.
Jingle: "Homenagem a Mongo" Som Tres
1. Musik "Candidate" David Bowie aus Soundtrack "Intimacy"
2. Musik "Chan Chan" Buena Vista Social Club
Günter Regenberg: Das Landjuden-Museum in Rosbach im Siegtal
3. Musik: "Teardrop" Massive Attack Album: Mezzanine
"Italienisch für Anfänger"
"Italienisch für Anfänger" ist ein Film über
die, nennen wir es "Italienischen Momente" des Lebens, das ist
natürlich eine Metapher, und am ehesten gemeint sind Momente von
auffälliger Leichtigkeit, in denen man die Last des Alltags für
kurze Zeit vergessen kann. "Italienisch für Anfänger"
das sind 118 Minuten "Italienische Momente" ob wohl man sie
hier im Traum nicht erwarten würde. "Italienisch für Anfänger"
spielt in einem tristen Vorort von Koppenhagen, es ist Winter und alle
Figuren des Films haben wirklich nichts zu lachen. Der junge Pastor Andreas,
die Friseuse Karen, die Verkäuferin Olympia, der Hotel-Portier Jorgen
und der Restaurant Manager Hal-Finn, alle einsame Großstadt Singles,
werden von ihrem Alltag und von verschiedenen Schicksalsschlägen
gebeutelt. Nur in einem Italienisch Kurs der Volkshochschule finden sie
etwas Geborgenheit und mediterrane Wärme. Am Ende des Films wir sich
diese Wärme in ihrem Alltag verbreiten und ihn heller machen. Aber
wie es dazu kommt ist eigentlich ein Wunder, das den Kinozuschauer in
größeres Erstaunen versetzt und besser unterhält, als
alle "Harry Potter" und "Herr der Ringe" Spezialeffekte
und Traumgestallten zusammen. Die "Italienisch für Anfänger"
zur Komödie des Jahres machende Sensation, für die Zuschauer
und die Figuren des dänischen Alltagsdramas ist die, das die Protagonisten
durch ihre Verknöcherungen hindurch wieder anfangen mit einander
zu Reden. "Italienisch für Anfänger" zeigt einen gesellschaftlichen
Tauprozess, bei dem das Vokabeltraining in einem höchst improvisierten
Italienisch Kurs für die Notwendig Erwärmung sorgt. Das gibt
im wahrsten Sinne Hoffnung für ein Neues Jahr.
"Heaven" der neue Film von Tom Tykwer ist eine intensive,
dramatisch und geheimisvolle Liebesgeschichte und ein Metaphysischer Thriller.
Es muss direkt gesagt werden, "Heaven" ist Tom Tykwers schwierigster
Film, mit dem er sich auch sehr schwer getan hat, aber es ist vielleicht
auch sein größter künstlerischer Triumph. Er hat die fast
unlösbare Aufgabe gemeistert ein Drehbuch des großen polnischen
Moralisten und Kulturpessimisten Kristof Kieslowski (Drei Farben: "Weiß"
"Rot" "Blau", "Ein Kurzer Versuch über die
Liebe" etc.) zu verfilmen.
"Heaven" thematisiert den Konflikt eines Einzelnen mit einer
tauben Gesellschaft der in letzter Konsequenz und Verzweiflung zur Gewalt
greift um einen schädlichen Menschen zu eleminieren und auch bereit
ist für die Folgen einzustehen.
Aber man erzählt den Film am besten vom Ende her, weil das Ende von
"Heaven" ist Kieslowkis Aufgabe, die nach dem Regisseur Tom
Tykwer nun auch die Zuschauer zu meistern haben. Nach einer aufregenden
und sehr spannenden Schuld und Sühne Geschichte fliehen Held Fillipo
(Giovanni Ribisi) und Heldin (Phillipa) (Cate Blanchet) aus der unheilen
Welt in ein Paradies in dem der Sommer auch schon vorbei ist. Immer mehr
nehmen die Weltflüchtlinge die Konturen der biblischen Adam und Eva
Figuren an und fahren am Ende ihrer Flucht mit einem Hubschrauber senkrecht
in den Himmel auf bis sie ganz verschwunden sind.
"Heaven" erzählt die Schöpfungsgeschichte rückwärts.
Und mit diesem für Kieslowski typischen Gedankenspiel, dass die Probleme
der Menschheit nur mit einer Zurücknahme der Schöpfung zu lösen
sind, endet der wohl eindrücklichste Film dieses Kinomonats.
Viel Passiert - (Ode to Cologne)
Nach seinem großen Erfolg Buena Vista Social Club hat sich Wim Wenders
einem neuen Musiker Dokumentarfilmprojekt gewidmet. Diesmal entführt
er uns aber nicht in exotische Weiten, sondern zu unseren nächsten
Nachbarn nach Köln. Wolfgang Niedecken und seine Kölner Mundart
Rockformation BAP stehen unter dem Motto "Viel Passiert" in
Wenders neuem Film im Mittelpunkt.
Neben dem Musiker Wolfgang Niedecken, der als Kölscher Bob Dylan
irgendwo zwischen Willi Millowitsch, Kardinal Frings und Heinrich Böll
in Szene gesetzt wird, versucht der Film aber auch die Stadtgeschichte
Kölns vom Zweiten Weltkrieg bis heute zu visualisieren. Besonders
in den beeindruckenden Dokumentar Passagen gerät der Film dann zu
einer Ode an Köln, die Köln auch verdient hat.
Darüber hinaus erinnert der Film eindrücklich daran, dass es
in den achtziger Jahren eine breite politisch alternative Bürgerbewegung
gab, deren Entwicklung BAP viele Jahre begleitet hat, und deren Bilder
in unsere unpolitischen heutigen Zeit entweder Wehmut oder ungläubiges
Staunen auslösen.
Einziger Wehrmutstropfen des Films sind einige wirklich peinliche und
völlig überflüssige Spielszenen mit Joachim Król und Marie
Bäumer. Aber vielleicht hat ja ein Vorführer ein Einsehen und
schneidet diesen Mist einfach raus!
4. Musik "Verdamp lang her" BAP
Der Fall Furtwängler - Taking Sides
Der Fall Furtwängler ist nach "Taste of Sunshine" und "Gloomy
Sunday" der neue Film von Istvan Szabo.
In "Der Fall Furtwängler" geht es um die Entnazifizierungs
Untersuchungen die die Amerikanische Besatzungmacht nach dem Krieg über
den Deutschen Stardirigenten Kurt Furtwängler gemacht haben.
Um ein Exempel zu statuieren wollten die Amerikaner Furtwängler des
Mitläufertums mit den Nationalsozialisten überführen.
Entstanden, ist ein überaus packender Schauspieler-Film, bei dem
sich Harvey Keitel als amerikanischer Ermittler und Stellan Skarsgard
als deutscher Dirigent gegenüber stehen.
(Stellan Skarsgard kennt man vor allem durch seine Rolle als Beths Mann
aus Lars von Triers "Breaking the waves"). Der Englische Originaltitel
des Films Taking Sides bringt die Spannungen des Films sehr genau auf
den Punkt, denn er enthält sowohl das Gegenübersitzen der Protagonisten,
als auch die Aufforderung an den Zuschauer zu Gunsten des Anklägers,
oder des Angeklagten Stellung zu beziehen. Eine eindeutige Stellungnahme
aber wird im Laufe des Film immer schwieriger und auch oft genug plötzlich
wieder herum gerissen, um so mehr man über Furtwängler erfährt.
Nach 100 spannenden Kinominuten bleiben dann auch beim Zuschauer viele
Denkanstöße zurück, wie der, dass auch ein Künstler,
ob er will oder nicht politische Verantwortung trägt, und dass unter
einer Diktatur mit dem schwarz weißen Denken von Schuldig und Unschuldig
auch nicht eben weit zu kommen ist.
Empfehlung des Monats!
Die Gebrüder Skladanowsky
Die Gebrüder Skladanowsky ist ein weiterer Film von Wim Wenders der
aus einem besonderen Anlass heraus, ab dem 21.3. in Bonn zusehen sein
wird.
Das Rex-Lichtspieltheater in Bonn Endenich feiert mit diesem bisher nicht
in Bonn zusehenden Filmischen Kleinod sein 50-jähriges Jubiläum.
Was hat es mit dem Jubiläum und dem Film auf sich?
Nun das Rex ist tatsächlich im März 1952 eröffnet worden
mit dem Film "Vom Winde verweht" von Viktor Flemming (Vivien
Leigh und Clarke Gabel)
Und anlässlich dieses runden Jubiläums zeigen die Betreiber
des Rex den Film, den Wim Wenders anlässlich des 100 Geburtstags
des Film überhaupt ersonnen hat.
Der Film "Die Gebrüder Skladanowsky" erzählt in bester
Slapstick Manier des frühen Kintopp die wahre Geschichte der deutschen
Filmpioniere Skladanowsky, die ein Jahr vor den Gebrüdern Lumiere
für Berliner Variete Programme ein eigenes Film-Projektionsverfahren
erfunden hatten. Diese Realspielszenen bezaubern durch ihr Zeitkolorit
und dadurch das der Film aus der Sicht der Tochter und Nichte der Brüder,
Lucie Skladanowsky erzählt wird. Im Gegenschnitt mit diesen Spielszenen
hat Wenders die echte Lucy Skladanowsky als 103 Jährige Greisin 1995
in Berlin interviewt und gibt dem Nachgestellten durch den Zeitzeugen
Kommentar der alten Frau eine sehr beeindruckende Wirkung. Zu einem vollendeten
Zeitgedicht und einer filmischen Reflexion über Zeit und Fortschritt
wird der Film durch eine dritte Bildebene, die Bauarbeiten am Potsdamer
Platz von 1990 bis 1995 dokumentiert, an dem auch das Wintergarten Variete
stand in dem 1895 die Gebrüder Skladanowsky mit ihrer Kintopp Erfindung
die ersten Erfolge für das neue Medium Film feierten.
Die Gebrüder Skladanowsky wichtigster deutscher Film und ein sehr
berührendes Zeitdokument, das lange im Gedächtnis bleibt und
sehr dringend von mir empfohlen.
5. Musik "From her to eternity" Nick Cave
Album: From her to eternity
In ihrem Radio hören Sie uns wieder in genau einem Monat am Di.,
9. April, zur gleichen Zeit.
6. Musik "Protection" Massive Attack Album: Protection
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